Die Albertsen Daten aus dem Tumorzentrum von Connecticut/ USA überblicken ein großes Patientenkollektiv mit klinisch lokal begrenzten Prostatakarzinomen ohne Therapie über 20 Jahre. 23% der Patienten mit Gleason Score 6 verstarben an den Folgen des Prostatakarzinoms innerhalb 20 Jahren. Bei Gleason Score 7 lag die Sterberate nach 20 Jahren bei 65%. Der Gleason Grad wurde anschließend von Experten neu beurteilt und erwartungsgemäß nach oben korrigiert. Die Sterberate nach 20 Jahren lag dann bei einem validierten Gleason Score 6 bei nur 10%. Der Befund legt nahe, dass Patienten mit einem korrekten Gleason Score 6 eine Option auf eine abwartende und kontrollierte Haltung haben. Professor Laurence Klotz aus Toronto verfügt über das bislang größte Patientenkollektiv, das prospektiv mit einer abwartenden Strategie verfolgt wurde. Die Einschlusskriterien sind wie folgt:
PSA= 10 (= 15 bei Patienten über 70 J.)
Gleason Score = 6 (Gleason 3+4=7 bei Patienten über 70 J.) in der Stanzbiopsie
T1c- T2a
In der Nachsorge werden die Patienten, die diese Kriterien erfüllen, nach einem strikten Schema überwacht:
Eine definitive Therapie wird angestrebt, wenn sich der PSA Wert in weniger als drei Jahren verdoppelt (nach mindestens acht PSA Messungen) oder wenn in den Rebiopsien ein Gleason 4+3= 7 diagnostiziert wird.
Das aktuelle Kollektiv von Prof. Klotz umfasst 331 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 70 Jahren (49-84J). 34% dieser Patienten wurden in einen Zeitraum von 6 Jahren aus dem Protokoll ausgeschlossen und einer definitiven Therapie zugeführt. Bei 12% der Patienten geschah dies auf eigenen Wunsch, obwohl diese Patienten nach den oben genannten Kriterien weiterhin die Option auf Active surveillance gehabt hätten. In einem Beobachtungszeitraum von 2 bis 11 Jahren (durchschnittlich 7 J) verstarben nur 3 von 331 Patienten an den Folgen des Prostatakarzinoms. Diese drei Patienten hatten PSA Verdoppelungszeiten von kleiner 2 Jahren und verstarben 3 bis 5 Jahre nach der Diagnose, was darauf hindeutet, dass auch eine definitive Therapie an dem tödlichen Ausgang der Erkrankung wenig geändert hätte.
Aus den Klotz`schen Daten lässt sich freilich nicht ableiten, dass alle Patienten, die die oben genannten Selektionskriterien erfüllen, eine definitive Therapie ablehnen und sich einer abwartenden und kontrollierten Strategie anvertrauen sollten. Die Klotz`schen Selektionskriterien sollten vielmehr als eine Richtgröße für die Patienten betrachtet werden, die zum Zeitpunkt der Diagnose eine definitive Therapie aus persönlichen oder gesundheitlichen Gründen ablehnen. Der Begriff „Active surveillance“ geht über das bloße Abwarten (Watchful waiting) weit hinaus. Active surveillance besagt lediglich, dass man auf eine definitive Therapie verzichtet solange die Erkrankung bezüglich des PSA Wertes und des Gleason Grades im Verlauf der Zeit stabil bleibt. Eine definitive Therapie wird erst angestrebt, wenn sich diese Parameter nach den oben genannten Kriterien verschlechtert haben.