Von der Pathogenese zur Prävention - Kausale Pathogenese der HGPIN

Aus der formalen Pathogenese der HGPIN und den diversen Daten über die Chemoprävention des Prostatakarzinoms lassen sich die folgenden Ursachen für die Entstehung der HGPIN und des Prostatakarzinoms und die folgenden Ansätze für deren Prävention ableiten:

Bedeutung der Androgene für die Tumorentstehung in der Prostata
HGPIN ist wie das Prostatakarzinom eine primär Androgen- abhängige Erkrankung. Klinische Studien zeigen, dass eine totale Androgenblockade über 3 Monate vor der Prostatektomie etwa 50% der HGPIN eliminiert (5). Die Prozentzahl liegt bei einer sechsmonatigen Androgenblockade noch höher. Dieser Therapieeffekt ist aber möglicherweise reversibel. Es gibt Hinweise, dass HGPIN wiederkommt, wenn die Therapie unterbrochen wird. Sicher ist, dass einige HGPIN auch eine längerfristige Hormontherapie überleben (5). Wie hoch dieser Anteil ist, ist unbekannt und möglicherweise individuell sehr unterschiedlich. Ein Teil der HGPIN zeigt genetische Veränderungen und exprimiert Marker, die mit einer primären Androgenresistenz assoziiert werden. Dazu gehören Bcl-2, HER-1, HER-2/neu und eine aneuploide DNA- Verteilung (1,10). Etwa 20% aller HGPIN zeigt eine abnorme Expression des Apoptosensuppressor Bcl-2, die mit einer verminderten Expression oder Verlust des Androgenrezeptors einhergeht (4). HGPIN mit Überexpression von BCL-2 verfügen somit über Schutzmechanismen, die ihnen erlauben selbst einen längerfristigen Androgenentzug zu überleben. Eine mildere und nebenwirkungsärmere Form des Androgenentzugs ist die Blockierung der 5α- Reduktase. Durch dieses Enzym entsteht aus dem inaktiven Testosteron das biologisch hoch aktive Dihydrotestosteron (DHT), das an den Androgenrezeptor (AR) bindet. Es ist nachgewiesen, dass die 5α- Reduktase Inhibitoren Finasterid und vor allem Dutasterid den DHT Spiegel in der Prostata signifikant absenken.

Der Prostate Cancer Prevention Trail (PCPT) hat eindrucksvoll demonstriert, dass die durch die Einnahme des 5α- Reduktase- Inhibitors Finasterid die Detektionsrate um 25% gesenkt wird (24). Im Gegensatz zur totalen Androgenblockade, die wegen den erheblichen Nebenwirkungen für die primäre Prävention nicht in Frage kommt, hinterlässt Finasterid morphologisch kaum fassbare Spuren an der HGPIN und am Prostatakarzinom. Ein nachweisbarer Finasterid- Effekt ist allerdings die Reduzierung der Angiogenese. Es ist möglich, dass durch die Unterdrückung der Angiogenese die Entstehung von HGPIN und die Progression in ein Karzinom verlangsamt wird. Die Rückbildung einer vorhandenen HGPIN oder eines Karzinoms durch Finasterid scheint dagegen sehr unwahrscheinlich.

Eines der kontrovers diskutierten Ergebnissen der PCPT Studie ist die Zunahme von aggressiven Prostatakarzinomen (Gleason >7), die im Finasterid- Arm 1.25-mal häufiger diagnostiziert wurden(24). Nach dem heutigen Stand der Datenanalyse ist die plausibelste Erklärung für diese Beobachtung die folgende: Durch die Verkleinerung des Prostatavolumens durch Finasterid wird der Sampling Error der Stanzbiopsie reduziert. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit in den Stanzbiopsien kleine Herde von aggressiven Prostatakarzinomen zu erfassen und somit früher zu diagnostizieren. Bislang gibt es jedenfalls keinen effektiven Hinweis darauf, dass Finasterid die Entstehung von aggressiven Prostatakarzinomen begünstigen würde (24). Auch wenn die höhere Detektionsrate der aggressiven Prostatakarzinome im Finasterid- Arm mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Sampling- Problem zurückzuführen ist, lässt sich nicht von der Hand weisen, dass gerade auch die aggressiven Prostatakarzinome im Androgenmangel entstehen können. Patienten mit aggressiven Prostatakarzinomen (Gleason >7) weisen zum Zeitpunkt der Diagnose auffällig häufig niedrige Testosteronspiegel auf (13). Wie lässt sich dieses Phänomen erklären? Der Androgenmangel führt zu einer Erhöhung der Expression des Androgenrezeptors (AR). Die Zunahme der Rezeptordichte erhöht ihre Sensitivität gegenüber den residualen Androgenen, wodurch die Transaktivierung des AR und anderer Androgen- regulierter Gene gesteigert wird (8,22). Man spricht auch von einem sog. hypersensitiven AR Mechanismus, der in der Biologie des Prostatakarzinoms (und in der aktuellen Grundlagenforschung) eine Schlüsselrolle einnimmt (22). Prostatakarzinome mit Überexpression des AR gehören zu den aggressiven Tumoren mit hohem Gleason Grad und erhöhtem Progressionsrisiko (16). Das Auftreten von hypersensitiven Androgenrezeptoren ist auch einer der wichtigsten, bis heute bekannten Ursachen für die Entstehung der klinischen Androgenresistenz (8,22). Ein rationaler Ansatz für die Prävention dieser Tumoren ist es, die Expression des AR zu unterdrücken, was auch als „AR silencing“ bezeichnet wird (22). Experimentell ist es möglich die Expression des AR mit Hilfe sog. synthetic small interference RNA (siRNA), AR Antisens- Oligonukleotiden (ASO) oder mit Geldanamycin - Analoga im Prostatakarzinom zu vermindern und somit das Tumorwachstum zu drosseln (22). Es gibt aber auch eine Reihe von natürlichen Nahrungsbestandteilen, die die Transkriptionsaktivität des AR und die PSA- Produktion in vitro und in vivo signifikant senken können. Dazu gehören Vitamin E (α-Tocopherol), Selen und die Phytoöstrogene (siehe unten).